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Wenn von Ausbeutung der Tiere* gesprochen wird, so sind geschlachtete Kälber, blutige kupierte Schweineschwänze und durch das Metall-Gebiss aufgerissene Pferdemäuler die ersten Bilder, die uns im Kopf herumspuken. An das kuschelige Plüschknaul, dessen Näschen aus der Handtasche unsere_s/r Bahn-Mitfahrer_s/in herauslugt, denken wir nicht. Haustiere* – das sind doch die Tiere*, die von ihren entzückten Herrchen und Frauchen geliebt, mit Leckerlis vollgestopft und endlos geknufft und geknuddelt werden. Sie sind des Menschen beste Freund_innen, die Tiere*, denen es in unserer Gesellschaft gut geht – oder?

Hinter dieser liebreizenden Fassade steckt jedoch eine traurige Realität. Haustiere* sind – wie der Name suggeriert – HAUStiere*. Sie sind nicht frei, sondern atmendes Eigentum ihrer Besitzer_innen, welches sowohl institutionell legalisiert als auch ideologisch geistig verankert ist. Obwohl sicherlich die meisten Haustierbesitzer_innen* versichern, dass sie „ihrem Tier“ nur das Beste wollen und sie es gekauft haben, weil sich ja wer darum kümmern muss, steckt doch (ggf. unbewusst) eine andere/weitere Motivation dahinter: Haustiere* sind Ersatzobjekte, Ersatz für fehlenden menschlichen Kontakt, wie Partner_innen, Freund_innen oder Kinder, Projektionsfläche für unbefriedigte Bedürfnisse, sei es geliebt zu werden oder sich um etwas Hilfloses zu kümmern, in einer allmächtigen Position zu sein. Dabei handelt es sich nicht um Zuneigung, die aus freien Stücken aufgebaut wurde. Denn Haustiere* leben in ständiger psychischer und physischer Abhängigkeit von ihren Besitzer_innen, die ihre einzige Futterquelle und oft auch die einzigen lebenden Kontakte sind, die sie – nach sozialem Austausch dürstend – scheinbar vergöttern, während die Besitzer_innen nicht mal ihre Sprache sprechen. So fangen Papageien nicht aus Zuneigung, sondern aus Verzweiflung in Vereinsamung an die menschliche Sprache zu imitieren.

Das Alleinsein im Alltag des kapitalistischen Gegeneinanders und der städtischen Isolation unter vielen produziert ein Bedürfnis, das vom Markt aufgegriffen wird und letztendlich zur massenhaften Zucht von Individuen führt, die nicht für sich, sondern nur dazu da sind, von anderen „geliebt“ zu werden. Phänomene wie Puppy Mills und Überproduktion sind die Folge. Haustiere* sind also nicht nur Objekt zur Befriedigung menschlicher Wünsche, sondern auch Ware, die, wenn sie keinen Absatz findet, unbrauchbar wird. Züchter_innen lenken die Paarung, um besondere Merkmale hervorzurufen, seien es solche, die besonders dem Kindchenschema (z. B. große Augen, hohe Stirn) entsprechen und zahlreiche „Süüüß“-Ausrufe verursachen, oder solche, die das Individuum derart entstellen, dass es körperliche Schäden, wie Atem- und Fortbewegungsbeschwerden bei Bulldoggen, durch diese erleidet. Je nach dem ob die Ausprägung der Merkmale letztendlich dem gewünschten Ideal entspricht, wird das Individuum mit einem hohen Preis versehen oder verscherbelt.

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(Bild: Jo-Anne McArthur/We Animals)

Eine besondere Form der Ware stellen Haustiere* dar, die im Zirkus auftreten und somit nicht nur Teil der Zucht-, sondern auch der Unterhaltungsindustrie werden. Diese trifft ein doppelt schweres Schicksal: Sie sind nicht nur zu völliger Unselbstständigkeit gezüchtet und erzogen worden und somit zur ewigen Abhängigkeit des „guten Willens“ ihrer Eigentümer_innen verdammt. Nein, sie werden darüber hinaus noch genötigt, „unter Narren um des lieben Friedens willen ein paar närrische Gesten [zu] mach[en]“1, wobei mit den Narren hier die gaffenden Zuschauer_innen gemeint sind, die sich nur zu wohlwollend und gutgläubig durch die scheinbar frohlockend-fröhliche Zirkuswelt täuschen lassen.

Wir fordern deshalb einen sofortigen Stopp jeglicher Tierzüchtung* – sei es als sogenannte Haus-, Nutz- oder Zirkus-Tiere*! Berechtigt bleibt die Frage, wohin mit den ganzen Lebewesen? Wir plädieren dafür, sich der Verantwortung zu stellen und den Tieren*, die nun bereits da sind, ein möglichst angenehmes restliches Leben zu gewährleisten. Das kann zum einen in Form von Lebenshöfen [wie etwa der Erdlingshof oder der Tierlebenshof Hunsrück-Mosel] geschehen, die in ländlichen Gegenden auf großen Flächen gerade großen Herdentieren* Raum, Pflege und Versorgung bieten. Zum anderen bedeutet Verantwortung zu übernehmen, Tiere* aus Tierheimen* aufzunehmen – so auch Hunde – um dort wiederum Platz für neue Ankömmlinge zu schaffen. Obwohl auf den ersten Blick kaum ein Unterschied vorzuliegen scheint, ist dieser doch tatsächlich enorm. So werden die nichtmenschlichen Tiere nicht als Objekt zur menschlichen Bedürfnisbefriedigung ge- und vernutzt, sondern sind für sich allein da. Die Bedürfnisse der nichtmenschlichen Tiere stehen im Vordergrund der Haltung und Pflege, auch wenn das nicht ausschließt, dass die Menschen, die sich der Aufgabe der Fürsorge widmen, keine Freude an der (meist unbezahlten) Arbeit haben (dürfen).

Uns ist klar, dass ein sukzessives Abwenden der Konsument_innen von Züchter_innen realistischer ist, als ein plötzlicher universaler Boykott. Deshalb sind Nahziele, über Tierausbeutung in Form der Degradierung zu Haustieren* aufzuklären, den Boykott von Züchter_innen aufzubauen und Lebenshöfe finanziell und praktisch zu unterstützen. Viele menschliche Individuen der Tierbefreiungsbewegung leben diese Ziele bereits und haben Hunde aus Tierheimen* aufgenommen, um in erster Linie im Interesse der Hunde ihnen ein angenehmes Leben im Rahmen der gegenwärtigen Möglichkeiten zu bieten. So ist es kein Widerspruch, wenn wir als Kampagne Frankfurt Tierzirkusfrei uns einerseits gegen die Ausbeutung von Tieren (auch von Hunden) vor Zirkusse stellen und gleichzeitig Hunde an der Demonstration teilhaben, sondern vielmehr die notwendige Konsequenz unserer politischen Forderung.

Wir achten bei unseren Aktionen stets darauf, dass laute Megafondurchsagen nicht in Richtung von Hunden abgehalten werden und laden Personen, die sich um Hunde kümmern und sich mit unserem Selbstverständnis identifizieren können, herzlich ein, an großen Demonstrationen teilzuhaben, jedoch ihre vierbeinigen Gefährt_innen in diesen Fällen zu Hause zu lassen.

Fußnoten:

* Das Sternchen kennzeichnet jedes „Tier“ oder jede Wortkombination damit, welches sich auf nichtmenschliche Tiere bezieht, wobei der Leserlichkeit halber der adjektivische Vorbau „nichtmenschlich“ ausgeklammert wurde.

Fußnoten

  1. Horkheimer, Max (1974): Notizen 1950 bis 1969 und Dämmerung: Notizen in Deutschland, Brede, Werner (Hrsg.), Frankfurt am Main: S. Fischer, S.55