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IMG_1141 – Rony Roller Circus von N I C O L A unter Creative Commons Attribution 2.0

Laut Frankfurter Rundschau1 wollte der Circus Probst 2015 sein 70-jähriges Jubiläum feiern. Die Leitung stets in familiären Händen tourte der Zirkus vor allem in Ostdeutschland allzeit unter dem Motto: “Unter den Guten einer der Besten”2. Dass die Qualität dieser Aussage lediglich auf der Ebene eines platten Werbeslogans bleibt, zeigt sich nun auf zwei Ebenen:

Einerseits hält der Circus Probst 3 90 nichtmenschliche Tiere, darunter sibirische Tiger, weiße Löwen, Pferde, Rinder, ein Zebra und Yaks, in Gefangenschaft, die – oder deren Vorfahren – eigentlich in der Wildbahn fünf unterschiedlicher Kontinente ihr Zuhause fanden. Zwar prahlt der Zirkus mit “Freiheitsdressur” 4 und vorbildlichen Bewertungen der Haltung durch Veterinär_innen 5, doch ist es offensichtlich, dass Dressur und Freiheit die Elemente eines krassen Gegensatzes sind.

Dressur bedeutet immer Unterdrückung, Zu- und Abrichtung eines Lebewesens in Gefangenschaft, also genau das Gegenteil zu einem Leben in freier Wildbahn, wo Sozialkontakte gepflegt, kilometerweite Strecken in Wald, auf Wiese oder in der Savanne zurückgelegt werden können, wo zwar Wetter und Nahrungsangebot das Leben beeinflussen, jedoch keine Peitsche und kein Schlagstock drohen. Dagegen ist unbestreitbar, dass kein nichtmenschliches Tier all seine Bedürfnisse so ausleben kann, wie es in freier Wildbahn möglich wäre und die sich lediglich an Leitlinien haltenden Veterinär_innen-Kontrollen einen laschen Maßstab setzen.

Andererseits gehören zum Zirkusgeschäft auch 60 angestellte menschliche Personen6, die ca. 11 Monate im Jahr mit dem Zirkus unterwegs sind 7. Der Circus Probst ist ein Betrieb, der wie jeder andere auch das Ziel hat, Profit zu erwirtschaften. Dass dies kein Zuckerschlecken ist, zeigt bereits eine Äußerung auf der Zirkus-Website selbst:

“Aber im Zeitalter von Hartz IV und wirtschaftlicher Flaute betont der Circus-Chef gerne, wie ihm in seinem nicht-subventionierten Kulturbetrieb den täglichen Spagat zwischen familienfreundlichen Eintrittspreisen und stetig ansteigenden Tageskosten gelingt. Im Circus zaubert man eben nicht nur in der Manege…” 8

Nun hat es sich ausgezaubert! Ab 1. Januar 2015 gilt der Mindestlohn in Deutschland. Allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten muss nun ein Stundenlohn von mindestens 8,50€ (brutto) ausgezahlt werden. Die Arbeitszeit muss dafür genau dokumentiert werden. Diese Regelung gilt unabhängig davon, ob der einzelne Betrieb selbst einen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Arbeitgeber_innen, die sich nicht an das Mindestlohngesetz halten, können mit Sanktionen, wie einer Geldbuße bis zu 500.000 €, und Nachforderungen rechnen. Ausnahmen bestehen lediglich für manche Branchen bis Ende 2016, die im Rahmen einer Übergangsfrist unter 8,50€/h bleiben können. 9

Der Circus Probst zählt nicht dazu. Zirkusdirektor und Dompteur Rüdiger Probst gibt gegenüber der Frankfurter Runschau zu: „Das kann aber kein Reisebetrieb erfüllen“10 Ein Zirkusbetrieb kennt keine festen Arbeitszeiten geschweige denn einen 8-Stunden-Tag. Zusätzlich kann es sich der Zirkus nicht leisten, die Ticketpreise zu erhöhen. Die für 2015 angesetzte Jubiläumstournee zum 70-jährigen Bestehen wurde aufgrund dessen abgesagt. Laut Frankfurter Rundschau plant der Zirkus stattdessen 34 Workshops an Schulen, wobei erst zehn der 60 Mitarbeiter_innen einen Vertrag für die kommende Saison erhielten. Was daraufhin mit den nichtmenschlichen Tieren geschieht, ist unklar.

Das Beispiel Circus Probst zeigt, dass auch die Beschäftigung in einem Zirkusbetrieb mit unentdeckten Missständen einhergehen kann. Gerade ohne aktive gewerkschaftliche Vertretung kommen die Lohn- und Arbeitsverhältnisse der Angestellten von Zirkusbetrieben nur skandalförmig ans Tageslicht. Wie etwa 2012 als Henry Spindler, ehemaliger Zirkusdirektor des Circus Barelli, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde, da er zugab, in 133 Fällen Lohn vorenthalten zu haben sowie drei Betrügereien und einen Arbeitsunfall zu verantworten. 11

In diesem Sinne: animal liberation, human right – one struggle, one fight!

Fußnoten

  1. Böhme, Ralf; Höhne, Steffen (2014): Zittern in Ostdeutschland. Mindestlohn, in: Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main (Hrsg.): Frankfurter Rundschau, Jg. 2014: http://www.fr-online.de/wirtschaft/mindestlohn-zittern-in-ostdeutschland,1472780,29455942.html [Aufruf: 28.10.2015]
  2. Circus Probst: Wir über uns. Circus Probst – Kultur pur seit 1865: http://www.circus-probst.de/about.htm [Aufruf: 28.10.2015]
  3. Circus Probst: Programm 2014. Manege frei im Circus Probst: http://www.circus-probst.de/programm.htm [Aufruf: 28.10.2015]
  4. Circus Probst: Programm 2014. Manege frei im Circus Probst: http://www.circus-probst.de/programm.htm [Aufruf: 28.10.2015]
  5. Circus Probst: Unsere Tiere. Tierfreiheit im Circus Probst: http://www.circus-probst.de/circustiere.htm [Aufruf: 28.10.2015]
  6. Böhme, Ralf; Höhne, Steffen (2014): Zittern in Ostdeutschland. Mindestlohn, in: Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main (Hrsg.): Frankfurter Rundschau, Jg. 2014: http://www.fr-online.de/wirtschaft/mindestlohn-zittern-in-ostdeutschland,1472780,29455942.html [Aufruf: 28.10.2015]
  7. Circus Probst: Wir über uns. Circus Probst – Kultur pur seit 1865: http://www.circus-probst.de/about.htm [Aufruf: 28.10.2015]
  8. Circus Probst: Wir über uns. Circus Probst – Kultur pur seit 1865: http://www.circus-probst.de/about.htm [Aufruf: 28.10.2015]
  9. Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns: http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/milog/gesamt.pdf [Aufruf: 28.10.2015]
  10. Böhme, Ralf; Höhne, Steffen (2014): Zittern in Ostdeutschland. Mindestlohn, in: Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main (Hrsg.): Frankfurter Rundschau, Jg. 2014: http://www.fr-online.de/wirtschaft/mindestlohn-zittern-in-ostdeutschland,1472780,29455942.html [Aufruf: 28.10.2015]
  11. [Autor_in nicht angegeben] (2012): Mehr als zwei Jahre Haft für Ex-Zirkuschef, in: D’Inka, Werner; Kaube, Jürgen; Kohler, Berthold; Steltzner, Holger (Hrsg.): Frankfurter Allgemeine Zeitung, Jg. 2012: http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt-mehr-als-zwei-jahre-haft-fuer-ex-zirkuschef-11842989.html [Aufruf: 28.10.2015]